Interview mit Reinhard „Jack“ Fischer

Na, wer kennt ihn noch – den „PC Joker“? Der PC Joker war DAS Kultmagazin, welches von 1991 bis 2001 eine ganze Generation rund um das Thema PC-Spiele begleitete. Nach knapp 10 Jahren musste das Magazin Anfang 2001 allerdings die Segel streichen und wurde eingestellt. Deshalb ist es eine besondere Ehre heute mit einem der damaligen Redakteure ein Interview führen zu dürfen. Dabei handelt es sich um niemand geringeres als Reinhard Fischer. Viel Spaß beim Lesen!

XB: Hallo Jack! Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast uns für ein Interview zur Verfügung zu stehen. Viele werden dich noch als Redakteur vom Amiga Joker und natürlich PC Joker kennen. Aber vielleicht kannst du dich ja trotzdem einfach noch einmal vorstellen?

RJF: Reinhard „Jack“ Fischer, Baujahr 1965. Das „Jack“ habe ich gewählt, weil man in den Computerspielen der 80er Jahre nur wenige Zeichen für den Spielernamen eingeben konnte. Da musste was Kurzes her. Vier Buchstaben erschienen mir damals eine gute Idee. Und irgendwie ist mir der Name geblieben, weshalb mich, abgesehen von meiner Familie, alle nur noch Jack nennen.

Reinhard "Jack" Fischer
Reinhard „Jack“ Fischer im Interview

XB: Wie bist du eigentlich zum Computer gekommen? Hast du dich schon immer für Computer und Computerspiele interessiert? Wie hat alles bei dir angefangen mit der Computertechnik?

RJF: Ich glaube, es war der Film „Tron“ aus dem Jahre 1982. Ich saß im Kino und war fasziniert von diesen, für damalige Verhältnisse, grandiosen Computeranimationen. Mit einem Haufen gesparten Geldes ging es dann an den ersten eigenen Rechner. Ein Commodore VC 20, das Vorgänger-Modell des Commodore 64. Ganze 5 Kilobyte(!) RAM, aber was für eine tolles Gerät. Der hat damals noch richtig Geld gekostet. Dann der C64 mit seinem großen Spieleangebot. Hier ging es dann auch mit dem Programmieren los. Erst Basic, dann 6502 Maschinensprache.

Die ersten Monate vergingen ohne Speichermöglichkeit, weil nicht genug Geld für eine Datasette (Speichermedium das mit handelsüblichen Kassetten gearbeitet hat) oder gar ein Diskettenlaufwerk („Floppy“) da waren. Natürlich haben wir auf Teufel komm raus Spiele kopiert. Aber ich hoffe, das ist inzwischen verjährt, oder? An dieser Stelle entschuldige ich mich offen bei genialen Leuten wie David Braben, Ian Bell, Rob Hubbard, Martin Galway, Dennis Caswell und all die anderen Programmierer und Spielemacher. Ich habe eure tollen Werke gespielt, ohne dafür zu bezahlen. Ich bin sicher, dass ich dafür in der Hölle schmoren werde! Irgendwann mal…

XB: Viele kennen dich wie gesagt noch vom Joker Verlag. Erzähle uns doch mal wie du zum Verlagswesen und speziell zum Joker Verlag gekommen bist und welche Aufgaben du dort inne hattest?

RJF: Ja, gute Frage. Wie wird man Redakteur? Keine Ahnung, wie das heute geht, aber „damals“ hatte ich gerade keine andere Arbeit in Sicht. Eines Tage latscht ein guter Freund in meine Bude, wedelt mit einem PC Joker Heft des in der Luft herum und sagt lapidar: „Kerl, Du hast doch gerade nichts zu tun. Die suchen einen Spieletester, der Schreiben kann. Bewirb Dich doch mal!“ Gesagt, getan. Aber neben einem üblichen Spieletest (Ich glaube, es war „Starglider“) habe ich auch eine witzige Kurzgeschichte beigefügt. Es ging um Schwarztee, Socken und andere kuriose Dinge. Klingt komisch, hat mir aber den ersten Job als Redakteur eingebracht – und ein Gehalt, das für damalige Verhältnisse klasse war.

Die Räumlichkeiten der Redaktion waren, ich drücke es mal vorsichtig aus, beengt. Richard Löwenstein und Kollege Joachim „Joe“ Nettelbeck in einem Zimmer der kleinen Wohnung, Peter Braun und ich im anderen, Textchef und Hüter der durchgeknallten Sippe Oskar Dzierzynski in der Küche. Oskars Großvater Felix hat 1917 übrigens den russischen Geheimdienst KBG mitbegründet, aber das sei nur mal so am Rande erwähnt. Getestet haben wir eigentlich alles, was ins Laufwerk gepasst hat. Autorennen, Abenteuer, Geschicklichkeitsspiele. Von Sportspielen war ich dank eines ärztlichen Attestes befreit. Texte wurden mit simplen DOS-Programmen getippt, die weder Autokorrektur noch andere „Extras“ kannten und per Diskette transportiert. Heute unvorstellbar, hat aber (meistens) funktioniert.

XB: Was waren deiner Meinung nach die spannendsten Ereignisse während deiner Arbeit beim Joker Verlag. Gab es irgendwelche speziellen Anekdoten die du uns hier erzählen magst? Ihr hattet doch damals bestimmt eine Menge Spaß in der Redaktion gehabt. Vielleicht kannst du uns hier ja mal die witzigsten Geschichten erzählen? Und eine ganz wichtige Frage: Wer steckte hinter „Dr. Freak“? Es bleibt auch unter uns – versprochen!

RJF: Tatsächlich ging die Arbeit im Joker Verlag immer recht zügig voran, was wohl an einigen Dingen lag, die es damals NICHT gab. Keine Emails, kein Internet, kein Facebook, kein Smartphone, kein Twitter. Man bekam ein Spiel, zockte es eine Weile, schrieb die ersten Eindrücke in den PC, spielte weiter, schrieb und spielte gleichzeitig und – zack – war der Text fertig. Waren in der Regel natürlich nur Einseiter oder gar Halb-Seiter, aber damals lernte man, schnell und effizient zu arbeiten. Da blieb dann natürlich Zeit für andere Dinge.

Einmal habe ich Zuhause ein kleines Programm geschrieben, dass den Eindruck vermittelte, die ganze Festplatte sei gelöscht worden. Als Startdatum hatte ich den 1. April gewählt und alles heimlich auf Kollege Nettelbecks PC installiert – nicht ahnend, dass der seine Systemzeit einige Tage VOR dem 1. April gesetzt hatte. Er kam so um den 28. März ziemlich bleich in unser Büro gewankt und fragte nur, ob jemand einen guten Virenscanner parat hatte. Abgesehen von einem sichtlich erleichterten Kollegen blieb die Sache aber folgenlos. Was Dr. Freak betrifft: Das wird wohl weiterhin ein Geheimnis bleiben, denn ich schweige natürlich. Aber frag doch mal bei der NSA nach, die wissen ja sonst auch alles…

XB: Hast du noch Kontakt zu den ehemaligen Joker-Redakteuren und auch Herausgebern Brigitta und Michael Labiner?

RJF: Für solche Treffen gibt es den legendären „Adlertag“, jener Tag, an dem der Joker-Verlag offiziell geschlossen wurde. Am Nachmittag erklärte Chef Michael Labiner das Aus des finanziell angeschlagenen Verlages. Also haben wir das getan, was uns in dieser Situation am sinnvollsten erschien: Alle Redakteure und das gesamte Layout fuhren geschlossen in die Münchner Innenstadt und haben sich gehörig einen reingelötet. War ja auch schon egal und am nächsten Morgen gab es keinen wirklich guten Grund, pünktlich im Büro zu sein. Der Name „Adlertag“ beruht übrigens auf dem Namen des letzten PC-Spieles, das noch getestet wurde. Ein Glück, dass es eine Flugsimulation war, sonst hieße er wohl „Wiggles-Tag“ oder so. Dieser Abend findet traditionell im November statt und ist immer eine gute Gelegenheit, mit alten Ex-Kollegen über neue Spiele und aktuelle Themen zu plaudern. Was aus Michael Labiner geworden ist, kann ich leider nicht mit Sicherheit sagen.

Steffen Schamberger
Joker Verlag: Steffen Schamberger testet ein ominöses Tanzmatten-Spiel

XB: Anfang 2001 war dann ja leider Schluss mit dem Joker Verlag musste seine Segel streichen. Wie ist deine Erinnerung an diesen speziellen Tag? Oder hat sich das Ende bereits seit einiger Zeit angekündigt? Wie waren deine Pläne für die Zeit nach dem Joker Verlag und welche Wege bist du dann gegangen?

RJF: Das Ende des Verlages war wohl abzusehen. Es gab diskrete Anzeichen, doch der wirkliche Schluss war schon bitter. Von heute auf morgen gab es den Verlag einfach nicht mehr. Aus. Ende. Vorbei. Ein Gefühl wie auf einer Beerdigung. Aber Beerdigungen gehen vorüber und am nächsten Monat muss man trotzdem die Miete berappen. Wehklagen zahlt halt keine Rechnungen, also habe ich meine Koffer gepackt und bin zurück in meine Heimat gezogen. Das Allgäu ist ländlich, aber wenn man kein Problem mit schmutzigen Händen hat, gibts immer irgendwo Arbeit. Tatsächlich war ich nicht einmal sonderlich betrübt über diese Änderung, denn eigentlich ist der Job eines Redakteurs unheimlich aufreibend und ich war froh, mal pünktlich Feierabend machen zu können und an den Wochenenden frei zu haben.

Als Richard Löwenstein Jahre später die Konsolenmagazine 360 Live und PS3M ins Leben gerufen hat, bin ich wieder in die Tretmühle gestiegen – nur um festzustellen, dass auch diese geniale Hefte nicht gegen den Druck des kostenlosen Internets ankommen. Wie schon zuvor suchte ich mir schnell eine neue Stelle, die zwar nichts mit Schreiben zu tun hat, aber wenigstens die Miete bezahlt. Heute arbeite ich als Siebdrucker in der Nähe meines Wohnortes und bin ganz zufrieden.

XB: Hast du eigentlich noch selbst einen Amiga Zuhause oder warst du schon immer eher ein Konsolengamer? Falls ja, welche sind deine Lieblingskonsolen (auch Klassiker) und warum? Hast du noch echte Konsolenklassiker und wie sieht dein Computerspiele-Fuhrpark aus?

RJF: Meinen Amiga habe ich noch, aber keine Ahnung, ob der via Kickstart noch anspringt. Tatsächlich war ich immer eher ein Computerspieler als ein Konsolenzocker, weshalb ich keine Konsolen der ersten Generation habe. Natürlich erinnere ich mich noch lebhaft an das Neo Geo im alten Verlag, auf dem wir leidenschaftlich „Last Resort“ gespielt haben, aber Konsolen waren mir immer zu einseitig. Computer kann man so herrlich kreativ nutzen.

Ich programmiere gerne, schreibe Geschichten, mache Grafiken… das macht den PC zum idealen Werkzeug. Bei Konsolen geht das nicht, abgesehen vielleicht von Kreativ-Baukästen wie „Little Big Planet“ oder so. Inzwischen habe ich auch eine Playstation 3 und eine Xbox 360, wobei ich letztere meinem Neffen als Dauer-Leihgabe vermacht habe – sie ist mir schlicht und ergreifend zu laut. Heute spiele ich fast nur noch an der PS3 und der PS4-Kauf ist schon fest eingeplant: Mitte November, passend zum Release von „GTA V“. Aber ohne PC wäre ich nur ein halber Mensch.

XB: Apropos Konsolen: Aktuell gibt es ja ein ordentlichen Kopf-an-Kopf-Rennen im Bereich der Next-Generation-Konsolen – sprich Xbox One und Playstation 4. Welche der neuen Konsolen ist dein persönlicher Favorit und warum? Aktuell sind die Verkaufszahlen der PS4 zwar höher, allerdings wird die Xbox aktuell auch noch in deutlich weniger Ländern angeboten. Wer wird am Ende die Nase vorne haben?

RJF: Wie gesagt ist meine PS4 bereits bestellt. Doch wenn ich eine Prognose abgeben müsste, könnte ich auch nur raten. Microsoft hat in Sachen Marketing natürlich so einiges falsch gemacht. Etwa die Ankündigung, Gebrauchtspiel würden auf der Xbox One nicht mehr laufen. Wie kommt man auf so eine abwegige Idee? Auch das Konzept des Digital Right Managments (DRM) hilft nur Microsoft und den Spieleherstellern, aber wenig den Kunden. Sony ist in der Hinsicht offener und flexibler. Für den US-Markt mag die One als Multi-Media-Center gut geeignet sein, der Rest der Welt sieht aber gerne mal über den Tellerrand hinaus.

Technisch sind aber beide Geräte auf dem neuesten Stand! Hier werden uns in Zukunft also Spiele ins Haus stehen, die man so einfach noch nicht gesehen hat. Beide Konsolen werden dann sicherlich ihr volles Potential ausschöpfen. Und auch wenn ich mit dieser Meinung ziemlich allein dastehe: Kinect ist eine tolle Sache, wird aber leider von den Spieleherstellern kaum beachtet. Dafür arbeitet Sony gerade an einer neuen VR-Brille. Wie wäre wohl eine Fusion dieser beiden Technologien? Wir leben wirklich in fantastischen Zeiten…

XB: Was hälst du vom PC als Spielemaschine der Zukunft? Hat er inzwischen ausgedient oder geht es jetzt sogar erst richtig los?

RJF: PCs werden nie ausgedient haben. Sicher kann ich mal schnell per Smartphone oder Tablet-PC eine Mail beantworten oder flugs im Web surfen, die Werbung suggeriert uns ja, wie scheinbar genial das ist. Aber für größere Aufgaben braucht es eben das passende Werkzeug. Und um Texte zu schreiben (wie diesen hier) ziehe ich einfach einen großen Bildschirm, eine Maus und ein anständiges Keyboard vor. Auch als Spielemaschine wird der PC nicht so schnell ausgemustert werden. Vor allem deshalb, weil es immer genug kreative Freaks gibt, die tolle Games einfach nur aus Spaß an der Freude entwickeln.

Nächster Vorteil ist seine dynamische Bauweise. Konsolen sind zwar mächtig, werden in Sachen Performance aber irgendwann von PCs überholt – allerdings nur, wenn man bereit ist, Geld zu investieren. Eine aktuelle Grafikkarte kostet dann schon mal so viel wie eine neue Konsole. Beide Systeme haben eben ihre Vor- und Nachteile, aber in den letzten Jahren habe sie ja ganz gut in friedlicher Koexistenz überlebt. Warum sollte das nicht so bleiben?

XB: In welchen Bereichen bist du jetzt eigentlich genau tätig bzw. wo soll die Reise hingehen? Hast du eigentlich eine eigene Website?

RJF: Wie schon erwähnt verdiene ich meine Brötchen inzwischen mehr mit körperlicher als mit geistiger Arbeit. Aber wenn man so lange mit Schreiben sein Geld verdient, kann man schlecht damit aufhören. Deshalb habe ich auch nur so zum Spaß einen Roman mit dem Titel „Projekt h2o“ geschrieben, erhältlich bei Amazon. Darüber hinaus bin ich ein großer Fan von „GTA V“ und habe unter dem Name Koalindl auf defiantART einige Grafiken veröffentlicht – die Rockstar so gut gefallen haben, dass sie die Bilder wiederum auf ihrer Homepage veröffentlicht haben. Eigene Webseite habe ich allerdings keine, Facebook sollte reichen.

XB: Was machst du eigentlich so, wenn du nicht gerade am Rechner sitzt? Hast du irgendwelche besonderen und außergewöhnlichen Hobbys?

RJF: Wenn ich nicht am Rechner sitze? Wie meinst Du das jetzt? Okay, Spaß beiseite, denn wenn man sein Hobby zum Beruf gemacht hat, muss man sich wohl zwangsläufig andere Hobbies suche. Segeln etwa. Tolle Beschäftigung für schöne Tage. Kochen ist auch eine nette Sache, weil es nicht nur satt macht, sondern auch Frauen beeindruckt. Und nicht zu vergessen: Lesen. Zum Beispiel „Der ewige Krieg“ von Joe Haldeman. Zeit, dass das mal jemand verfilmt.

XB: Ich danke dir für das Interview und wünsche dir weiterhin viel Spaß und Erfolg!

RJF: Kein Problem. Es war mir ein Vergnügen, mal wieder in alten Erinnerungen zu wühlen. Wer das ganze Chaos jetzt wieder aufräumt, weiß ich allerdings noch nicht…